Sie sei bereits zum dritten Mal da, so Emiliana, eine Schülerin auf die Frage, wer schon mal die  KZ-Gedenkstätte Flossenbürg besucht habe. Eine Antwort, die den Geschichtslehrer einigermaßen in Staunen versetzt. Zumal es sich bei Emiliana um eine Schülerin handelt, die erst seit einigen Jahren in Deutschland lebt, um jetzt in gerade mal einem Jahr die Mittlere Reife in der Integrationsvorklasse (IVK) zu erwerben. Die Corona-Pandemie machte es die vergangenen zwei Jahre unmöglich, mit Klassen Exkursionen durchzuführen. Das schloss natürlich den Besuch von KZ-Gedenkstätten ein. Für viele der aus Schwandorf angereisten SchülerInnen der IVK, BOS12, FOS11 und F10-Klassen war es folglich der erste Besuch einer KZ-Gedenkstätte. Emiliana und ihre Klassenkameradin Mina engagieren sich aber für das Projekt ReMember, das sich in Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg nun mehr bereits im zweiten Jahr vor allen Dingen an SchülerInnen mit Migrationshintergrund wendet, um diese als Mittler in Sachen Antisemitismus-Prävention zu gewinnen. Folglich wissen die beiden jungen Frauen bereits um die Geschichte des Lagers in der nördlichen Oberpfalz, das an der Grenze zu Tschechien als der Prototyp eines vergessenen Konzentrationslagers galt, weil man an diesem Ort über lange Zeit beharrlich die Geschichte verdrängt hat. Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit beginnt erst spät. So wurde eine Wohnsiedlung in den 1960er Jahren auf dem Gelände errichtet, auf dem zwischen 1938 bis 1945 Häftlingsbaracken standen. Ehemalige Gebäude wie die Häftlingswäscherei beherbergten Wirtschaftsbetriebe. Der Blick richtete sich in den Jahren nach 1945 nach vorne und geht für lange Zeit nicht zurück. Erst in den 1980er Jahren steigt das öffentliche Interesse an dem Thema. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Gedenkstätte Flossenbürg zu einem europäischen Erinnerungsort entwickelt, der hunderttausende Besucher anzieht. Gleichwohl ist es für heutige Generationen nicht immer einfach, sich die Geschichte an diesem Ort vorzustellen. Am Eingang zum ehemaligen Häftlingsbereich unterstützen die beiden Mitglieder von ReMember den Rundgangsleiter mit ihren erworbenen Erkenntnissen. So erläutert Mina, dass der Spruch „Arbeit macht frei“ für die Häftlinge keinesfalls die Hoffnung barg, bei guter Arbeitsleistung entlassen zu werden. Im Gegenteil, dieser Spruch verdeutlichte den zynischen Blick der SS auf die Häftlinge, von denen jeder Dritte im Lager oder bei den Todesmärschen sein Leben verlor. Der Rundgang endet im Tal des Todes, in dem noch vor einigen Tagen, am 23.04. die Kranzniederlegung anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers erfolgt ist. Was das mit uns heute noch zu tun habe, will der Rundgangsleiter abschließend von den SchülerInnen der IVK wissen. Keiner von ihnen sei in Deutschland geboren, das sei im Grunde nicht ihre Geschichte. Joudi aus Syrien antwortet, dass man von der Geschichte lernen könne. Und das gelte selbstverständlich nicht nur für deutsche SchülerInnen. Man müsse lernen, das Richtige zu tun, damit so etwas nicht noch mal passiert. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ralf Krinner

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