Am 7. März 2024 erlebten die Klassen F11S1, F11T1, F11U1 und F11W1 sowie zahlreiche interessierte Schülerinnen und Schüler der 12. und 13. Jahrgangsstufe Geschichtsunterricht, der unter die Haut ging. Bereits zum zweiten Mal besuchte Herr Aribert Martin, ein ehemaliges Mitglied der GSG 9, die FOSBOS Schwandorf, um als Zeitzeuge seine Erinnerungen an den ersten Einsatz der Spezialeinheit zur Befreiung des von Terroristen entführten Flugzeugs „Landshut“ im Oktober 1977 zu teilen.

In dem von Rosaviola Frohneberg von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit moderierten 90-minütigen Gespräch erhielten die Schülerinnen und Schüler zunächst einen Einblick in die Entstehung des Terrorismus in der BRD durch die linksextreme Rote Armee Fraktion (RAF), bevor Herr Martin seine Erinnerungen an die dramatischen Tage um die Befreiung der „Landshut“ eindrucksvoll mit den über 100 Zuhörern teilte.

Im Oktober 1977 entführten vier palästinensische Terroristen das Flugzeug „Landshut“ auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt am Main und nahmen die 86 Passagiere sowie die Besatzung der Maschine als Geiseln. Drahtzieher im Hintergrund war die linksextreme RAF, die mit dieser Entführung inhaftierte Mitglieder aus dem Gefängnis freipressen wollte.

Die Terroristen waren laut Martin „saubrutal“: So wurde beispielsweise das Auftanken der Maschine in Dubai mit der Drohung, eine Geisel zu erschießen, erzwungen. In letzter Sekunde gab man schließlich der Forderung nach und das Leben der Geisel wurde gerettet. Darüber hinaus planten die Terroristen die Sprengung des Flugzeugs und übergossen gefesselte Passagiere mit Benzin, weil sie dann „besser brennen“.Zudem wurde Jürgen Schumann, der Pilot der „Landshut“, von den Terroristen per Kopfschuss hingerichtet. Alle Passagiere wurden unter Androhung des gleichen Schicksals gezwungen, dabei zuzusehen. Schumann, ein erfahrener Pilot von der Luftwaffe, hatte kurz zuvor Hinweise zu den Entführern nach draußen gegeben. Dies wurde ihm jedoch zum Verhängnis, nachdem ein Journalist diese Informationen über Funk verbreitete. Ergriffen erinnerte sich Aribert Martin dabei an die Worte des dreijährigen Steffen, der Zeuge dieser brutalen Hinrichtung geworden war und ihm auf dem Rückflug nach der Befreiung erzählte: Dann hat es bumm gemacht und dann ist [der Pilot] umgefallen!

Diese Beispiele zeigen, dass mit den Entführern nicht zu verhandeln war – das Flugzeug musste durch die GSG 9 gestürmt werden. Nach einer fünftägigen Odyssee bot sich in Mogadischu (Somalia) die Gelegenheit. Unter dem Vorwand, die Bundesrepublik lasse die inhaftierten RAF-Terroristen frei und würde sie nach Mogadischu fliegen, gewann man Zeit und konnte den Zugriff genaustens vorbereiten. Dabei wollte sich die GSG 9, aufgeteilt auf 6 Trupps zu je 5 Mann, unbemerkt von hinten an die „Landshut“ heranschleichen, um dann mitten in der Nacht auf das Kommando „Feuerzauber“ hin gleichzeitig über die sechs Ausgänge das Flugzeug zu stürmen. Das Zünden von Blendgranaten auf dem Rollfeld unmittelbar vor dem Zugriff diente dabei als Ablenkungsmanöver. Aribert Martin war als „zweiter Mann“ an der Tür hinten rechts positioniert und stürmte in die Maschine, nachdem sein Kollege die Tür aufgehebelt hatte. Niemand hatte jedoch Informationen darüber, was sich im Inneren des Flugzeugs wirklich abspielte oder wo genau sich die Terroristen im Flugzeug aufhielten. Allen Beteiligten war klar: „Mit Terroristen kann man nicht reden oder verhandeln. Einen Plan B gab es nicht.“ erinnert sich Aribert Martin zurück. Als er in das Flugzeug stürmte, sah er um sich herum nur Geiseln. Aus dem vorderen Teil der Maschine aber hörte er Schüsse. Der Zeitzeuge ergänzte: „Als Erstes stieß mir ein unglaublicher Gestank entgegen. Die Terroristen ließen die Geiseln nicht auf die Toilette gehen, sodass die Passagiere ihre Notdurft auf ihren Plätzen verrichten mussten. Und das schon 5 Tage lang. Diesen Gestank hatte ich jahrelang in der Nase.“ In unmittelbarer Nähe von Herrn Martin explodierte unter einem Sitz zudem eine Handgranate, die ihn glücklicherweise nicht verletzte.

Innerhalb von nur wenigen Minuten wurden die Entführer „ausgeschaltet“. Einer der Terroristen war unmittelbar vor Aribert Martin mit mehreren Schüssen getroffen worden und lag in seinen letzten Zügen. „Er war in etwa so alt wie ich. Da spürte ich für einen kurzen Moment so etwas wie Mitleid.“ Zwei weitere Terroristen wurden bei der Befreiung der Geiseln getötet, eine Terroristin überlebte schwer verletzt. Alle Geiseln überlebten hingegen zum Glück die Entführung. Aribert Martin selbst musste nicht von seiner Waffe Gebrauch machen, hatte aber „den Finger am Abzug“. Aus Sicht des Zeitzeugen „hat die GSG 9 in Mogadischu einfach nur ihren Job gemacht“, die Geiseln hingegen sind für ihn „wahre Helden“.

Die Dimension des Einsatzes wurde dem damals 21-jährigen Aribert Martin erst auf dem Rückflug bewusst. Ein Kollege hatte einen Halsdurchschuss erlitten. Auch eine Flugbegleiterin wurde verletzt. Zudem traf er auf traumatisierte Passagiere wie den dreijährigen Steffen, die fünf Tage lang der Willkür und Gnadenlosigkeit ihrer Entführer ausgeliefert waren. Eine psychologische Betreuung für die Opfer oder die beteiligten Kräfte im Nachhinein gab es nicht, sodass heute noch viele an den Folgen der fürchterlichen Erlebnisse leiden.

Die Schülerinnen und Schüler lauschten den Ausführungen von Aribert Martin mit großem Interesse und stellten abschließend viele Fragen an den Referenten, der ihnen mit auf den Weg gab, sich selbst etwas zuzutrauen und auch den Mut zu haben, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Zum ersten Mal wurde vielen bewusst, was die Entführung der „Landshut“ wirklich für die Geiseln bedeutete und wie wichtig es damals wie heute ist, unsere Demokratie um jeden Preis zu verteidigen.

Christina Ertl

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